Newsletter 142

Serviceexperte

vom 7. Jänner 2016

1. Essay: Anständigkeit
2. Praxis: Ein billiges Zimmer ist ein teures Zimmer
3. Vortrag: Zukunft der Gastronomie & Hotellerie in Moskau
4. Videoblog: Kurt Steindl über Qualität und überdurchschnittliche Dienstleistungen
5. Story: Nachts im Hotel. Kurt Steindl, der Hoteltester erzählt.

 

Guten Tag liebe Leserin, lieber Leser, 

das neue Jahr ist da und auch der Winter hat sich bequemt, ein paar weiße Flocken zu spenden. Spät aber doch.

Ein neues Jahr ist oft mit Vorsätzen verbunden. Mehr Sport, weniger essen, zu Rauchen aufzuhören und dergleichen steht auf der Agenda. Vielleicht auch bei Ihnen? Neujahrsvorsätze gehen leider kaum in Erfüllung. Zu groß ist die Differenz zwischen dem Verstand und unserem Unbewussten. Während der Verstand vernünftige Gründe anführt, warum mehr Bewegung klug ist, zeigt uns das Unbewusste den Stinkefinger, wenn es darum geht, die lahmen Knochen aus dem Sofa zu hieven. Aus einem ganz einfachen Grund. Unser Unbewusstes hat eine ganz simple Entscheidungsprämisse: Es will hin zum Angenehmen und weg vom Unangenehmen. Auf der Couch liegen ist doch wesentlich angenehmer als in der Kälte draußen ein paar Runden zu drehen.

Wenn das Unbewusste und der Verstand sich nicht einig sind, dann siegt in der Regel das Unbewusste. Wir müssten also erst unser Unbewusstes davon überzeugen, dass es gut für uns ist, wenn wir etwas abnehmen, uns mehr an der frische Luft bewegen. Es sich vorzunehmen, reicht alleine nicht. Es braucht schon ein intrinsisches Bedürfnis, um aktiv zu werden. Es muss eine sogenannte Intention entstehen. Die kommt am besten aus brennendem Verlangen. Aus einer Sehnsucht nach einem schlanken Körper vielleicht. Diese Sehnsucht unterscheidet sich von einem Wunsch in erster Linie dadurch, dass sie mit starken Emotionen aufgeladen ist. Mit Vorfreude und Leidenschaft. Halbherzigkeit kommt aus der Uneinigkeit zwischen Verstand (der Ratio) und dem Unbewussten (der Emotio) und wir versagen. Erst wenn beide am selben Strang in die gleiche Richtung ziehen, dann können wir den Rubikon überqueren und es kommt zu einem ernsthaften Wollen.

„Wenn die Sehnsucht nach dem Erreichen des Zieles leidenschaftlich in uns lebt, dann wird es nicht an Kraft fehlen, die erforderlichen Mittel zu finden und das Vorhaben in die Tat umzusetzen!“ (Albert Einstein)

Das gilt übrigens nicht nur für Vorsätze, sondern auch für unsere Ziele. Erst wenn unsere Ziele mit starken Emotionen aufgeladen sind, dann ist es für uns ein erstrebenswertes Ziel. Dann bereitet uns der Weg zum Ziel schon so viel Freude, dass es gar nicht mehr so wichtig ist, ob wir das Ziel auch tatsächlich in der vordefinierten Weise erreichen.

Das wünsche ich Ihnen bei Ihren Vorsätzen und Zielen. Das Neue Jahr möge Ihnen viele freudvolle Momente und spannende Herausforderungen bescheren.

Viel Vergnügen beim Lesen des Newsletters.

Kurt Steindl


 

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1. Essay: Anständigkeit

Das sind keine moralisierenden Zeilen. Zumindest habe ich sie nicht mit der Absicht geschrieben, mit erhobenem Zeigefinger Anstand zu mahnen. Nein, mein Beweggrund ist schlichtweg Enttäuschung. Und Ärger. Und Trauer.

Die Enttäuschung, dass unsere heutige Welt so wenig Anstand ausstrahlt. Dass wir zum Beispiel über Flüchtlinge, reden als wären es Kühlschränke. Dabei sind hier Menschen auf der Flucht, um ihr eigenes und vor allem das Leben ihrer Kinder zu retten. Wie unanständig sind da Hasspostings in den sozialen Medien!

Ich bin enttäuscht, dass wir von Politikern regiert werden, denen das eigene Wohl bedeutend wichtiger zu sein scheint, als dem Volk zu dienen. Ich bin maßlos enttäuscht über eine Lebensmittelindustrie, die das Wort „Leben“ nicht verdient hat. Da werden Produkte produziert, die den Menschen krank machen. Also keine Lebensmittel, sondern vielmehr Tötungsmittel.

Ich ärgere mich über das Shareholder-System der Wirtschaft, weil es Unternehmen in der Entwicklung nicht fördert, sondern behindert. Ich bereue es, jemals Aktien besessen zu haben, weil das System der Börse und damit des „liberalen Kapitalismus‘“ völlig aus dem Ruder gelaufen ist. Wenn man auf fallende Kurse wetten kann, ja sogar auf den wirtschaftlichen Zusammenbruch eines Staates, dann hat das Finanzsystem vollkommen versagt.

Mein Verdruss richtet sich auch an die Ökonomen, die uns seit Jahrzehnten predigen, dass Wohlstand nur durch Wachstum erzeugt werden kann. Dabei vergessen die schlauen Leute, dass ungezügeltes Wachstum genau das Gegenteil bewirkt. „Immer schneller, höher, weiter!“ lautet der Schlachtruf der Unredlichen, die damit die Gier rechtfertigen.

Ich bin auch traurig. Traurig über die Dummheit, mit denen das Internet überschwemmt wird. Verschwörungstheorien und Verdrehungen. Gefährliches Halbwissen und dieser Wahn der Selbstdarstellung mit Selfies. Selfies sind für mich ein Zeichen des Niedergangs unserer Kultur. „Broadcast yourself“ nennt das Youtube. Ich nenne es übertriebene Selbstkonzentration. Es ist doch nicht anständig sich auf eine 3500 Jahre alte Statue zu klettern, um sich mit einem Selfie darauf zu verewigen. (Habe ich tatsächlich im Britsh Museum in London bei einer altägyptischen Statue beobachtet!) Oder sich auf dem Dach des Petersdoms in Rom in aufreizender sexy Pose selbst abzulichten. (Ich bin kein gläubiger Mensch aber da bin ich eingeschritten und habe das Mädchen darauf hingewiesen, dass es sich hier um eine Kirche handelt.)

Anständigkeit hat mit Respekt zu tun. Mit Wertschätzung. Auch mit Ethik und Moral. Im Grunde ist Anständigkeit umfassend und betrifft das ganze Leben. Wer anständig lebt, hat gute Chancen ein zufriedenes und glückliches Leben zu führen. Wer sich der Anständigkeit verweigert, wird fallen. Wenn nicht öffentlich, dann zumindest in die innere Leere. „Existenzielles Vakuum“ nannte es Viktor Frankl. (Was liebe ich diesen Mann für seine genialen Wortschöpfungen.)

Ein Neues Jahr hat soeben begonnen. Vielleicht die richtige Zeit, sich zu besinnen und auf die wirklich wichtige Dinge im Leben zu achten. Anständigkeit ist wichtig. Ein anständiges Leben zu führen ist schwer. Ich weiß. Aber es lohnt sich. Nicht immer finanziell – aber menschlich. Immerhin! Es tut gut. Wichtig für die Psychohygiene. Wichtig für ein gedeihliches Miteinander. Wichtig für uns alle.

Mein Ziel für 2016? Ein anständiges Jahr abzuliefern.


 

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2. Praxis: Ein billiges Zimmer ist ein teures Zimmer 

Booking.com, Hotel.com, HRS.com, Trivago, Expedia und wie sie alle heißen, wurden jahrelang als Segen für die Hotellerie angesehen. Durch sie wurde es möglich, dass auch kleinere Hotels im großen Netz sichtbar wurden. Sie brachten neue Gäste und mancher Hotelier hoffte tatsächlich, dass die Schnäppchenjäger nach dem ersten Aufenthalt auch später nochmals das Haus besuchen. Zu einem höheren Preis natürlich. Fehlanzeige. Im Gegenteil.

„Die Geister, die ich rief, werde ich nun nicht mehr los“, stöhnen viele Hoteliers mittlerweile. Der Preisdruck steigt immer mehr und die Provisionen schmälern die Spanne, bis nichts mehr übrig bleibt. Viele Hoteliers sind nun im Dilemma. Weiterhin bei den Buchungsplattformen gelistet sein und Nächtigungen sogar unter dem Einstandspreis zu verkaufen (wenn man die Provision auch mitberechnet) oder aussteigen und auf zahlungswilligere Gäste setzen? Aber woher soll man die herbekommen?

Buchungsplattformen sind auf dem besten Wege eine Branche nachhaltig in den Ruin zu treiben. Sie erwarten den besten Preis vom Hotelier und verlangen für die Vermittlung auch noch saftige Provisionen. Wer sich freiwillig in die Klauen dieser Plattformen begibt, hat den ersten Schritt zur Beerdigung seines Hotels getan. „Ein leeres Zimmer ist ein teures Zimmer“, als Legitimation der Unternehmer. Dieser Gedanke ist falsch. „Ein billiges Zimmer ist ein teures Zimmer“, hat eher seine Berechtigung. Wer seine Preise nicht halten kann, wird vom Markt verschwinden. So einfach ist das. Und so betrüblich.

„Ich schätze, dass etwa 30% aller Hotelbewertungen manipuliert sind.“ Diese Aussage kommt nicht von irgendwem, sondern von einem Mitarbeiter einer Hotelbewertungsplattform. Natürlich würde er diese Aussage niemals öffentlich wiederholen. Aber nachdenklich sollte das schon machen.


 

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3. Vortrag

Über die Zukunft der Gastronomie & Hotellerie in Moskau

 

  

Anfang Dezember wurde ich nach Moskau eingeladen, um einen Vortrag zu halten. „Die fünf Grundregeln für den (g)astronomischen Erfolg der Zukunft“, lautete der Titel meiner Ausführungen.

Anreise mit dem Flieger und mit einem extra bestellten Fahrdienst in der Edellimousine ins Zentrum. Quartier im Hotel Kempinki Balschugg nahe dem Roten Platz. Beim Einchecken machen sich die ersten Unterschiede zu einem Fünf-Sterne-Hotel in Österreich bemerkbar. Gepäckservice? Ja, aber erst nach eindrücklicher Nachfrage. Als Hoteltester kann ich natürlich nicht mehr „normal“ ein Hotel besuchen und achte automatisch auf solche Details. Begleitung zum Zimmer? Leider Fehlanzeige. Abdeckservice? Auch nicht. Aber sonst war das Zimmer in Ordnung. Der Blick auf die Balisiuskathedrale, dem Wahrzeichen der Stadt, schön.

Basilius Kathedrale      

Der nächste Tag zur freien Verfügung und natürlich bin ich mit meiner Leica los und habe fotografiert. Leider spielte das Wetter nicht mit. Nebelgrau und verregnet präsentiert sich die Stadt eher unwirtlich. Die Moskauer? Zurückhaltend aber nicht unfreundlich. Als ich mich mit der U-Bahn einmal verfuhr und um den Weg fragen musste, war sofort jemand hilfsbereit zur Stelle. Die kyrillische Schrift ist halt nicht so meine Stärke und auf russisch kann ich auch nur „Bitte“,  „Danke“ und „Zum Wohl“. So wie die meisten von uns.

Teilnehmer aus Weissrussland, Usbekistan, Tadschikistan, Ascherbaidschan, Moldawien, Armenien, Kasachstan, Usbekistan und natürlich aus Russland, waren mit dem Flugzeug angereist. Die Stimmung war prächtig. Das Interesse groß. Für mich war es eine Herausforderung, mit einer Dolmetscherin zu arbeiten. Natalja, so hieß die sprachgewandte Frau, übersetzte jeden einzelnen Satz und machte das großartig. Sogar die lustigen Passagen überbrachte sie so meisterhaft, dass die Lacher an der richtigen Stelle saßen. Kurz ich fühlte mich pudelwohl und hätte den Vortrag sogar noch um eine weitere Stunde erweitert. Aber nach drei Stunden (mit Pause) war Schluß.

Die Reaktionen sehr angenehm. Es wurde viel gefragt, viel diskutiert und auch beim Abendessen wurde die Zukunft der Hotellerie ausgiebig besprochen. Spät Abends kam dann was kommen musste. Der Wodka. Viel Wodka. Es wäre eine Beleidigung gewesen abzulehnen. Also Augen zu und durch.

  

Der nächste Morgen hätte mir ruhig gestohlen bleiben können. Der Kopf dröhnte, der Magen rebellierte und der Kaffee wollte nicht so recht munden. Aber insgesamt war Moskau eine Reise wert und eine wirklich interessante Erfahrung.

Wer weiß, wie oft ich in meinem Leben innerhalb eines Jahres einen Vortrag in New York und in Moskau halten werde?


 

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4. Video-Blog

Kurt Steindl, der „Serviceflüsterer“ über Qualität und überdurchschnittliche Dienstleistungen

Gäste bewerten die dargebotene Qualität immer subjektiv. Wenn wir ihre Erwartungen erfüllen, sprechen  Gäste von guter Qualität. Ein probates Mittel die Erwartungen zu übertreffen, sind überdurchschnittliche Dienstleistungen. In diesem Video erzählt Kurt Steindl eine Geschichte über eine exzellente Dienstleistung.
>>> Hier finden Sie das Video dazu.
Außerdem noch weitere Kurzfilme.


 

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5. Story: Nachts im Hotel

Kurt Steindl, der Hoteltester erzählt.

Frühgeburt in der Nachbarsuite

Der Auftrag lautet ein Romantikhotel zu testen. Gemeinsam mit meiner Frau checke ich deshalb in einer sehr romantischen Suite ein. Wir überprüfen das Zimmer, den Wellnessbereich, das Abendessen, die Bar und fallen müde ins Bett. Gegen drei Uhr früh werden wir durch aufgeregten Lärm vor unserem Zimmer munter. Eine schreiende Frau ein brüllender Mann, mehrere Stimmen , die beruhigen wollen. Hektik. An ein Weiterschlafen war nicht zu denken. Also rein in den Bademantel und nachgesehen, was da los ist.

Ich befürchte Schlimmes, als ich zwei Sanitäter und einen Tragesessel vorfinde. Ganz offensichtlich ein Rettungseinsatz. Der Nachtportier ist zugegen, also frage ich nach, was denn passiert sei. „Die Dame in der Nachbarsuite bekommt ein Kind. Frühgeburt.“, lautet die lapidare Antwort. Es sei zu spät, um noch ins Krankenhaus zu fahren. Es werde wohl die erste Hotelgeburt in diesem Haus werden, schmunzelt der Mitarbeiter.

Meine Frau und ich bieten natürlich Hilfe an, aber die Sanitäter erklären, es wäre bereits die Ärztin anwesend und eine Hebamme aus dem Ort sei auf dem Weg. Aus den umliegenden Zimmern strömen immer mehr Gäste auf den Flur. Schaulustige werden hier nicht gebraucht, also ziehen wir uns wieder zurück. Die Wehen kommen bereits in sehr kurzen Abständen, das können wir durch die Wand gut hören. Etwa 30 Minuten später ist es schließlich so weit, der neue Erdenbürger war da.

Wir beschließen, den Eltern einen netten Gruß aufs Zimmer schicken zu lassen. Als wir diesbezüglich an der Rezeption nachfragen, bekommen wir eine erstaunliche Auskunft. Wir sollten unseren netten Gruß lieber bleiben lassen. Da sei offenbar ein Beziehungsdilemma vorhanden. Wer der Vater des Kindes sei, ist offenbar nicht ganz klar. Sie seien jetzt mit dem Neugeborenen in der Klinik.

Als wir zwei Tage später an der Rezeption unsere Rechnung bezahlen und auf unser Auto warten, kommen die beiden Eltern wieder zur Türe rein. Also Harmonie und Freude sieht anders aus. Erst später erfuhren wir, dass der Mann offenbar nicht wusste, dass seine Frau schwanger ist und das Kind offenbar nicht von ihm ist. In der Zeitung war schließlich zu lesen, dass das Kind in der Klinik blieb und zur Adoption freigegeben wurde. Schade. Das kleine Mädchen hätte sich sich einen besseren Start ins Leben verdient. Eine traurige Geschichte, die mich selbst heute, nach vielen Jahren, noch immer berührt.


 

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Machen Sie´s gut, Ihr

Kurt Steindl – „Der Serviceflüsterer“

Büro Kurt Steindl
Mag. Gertrude Klar
A-4060 Leonding
Im Weideland 8
TEL: +43 732  77 22 67
FAX: +43 732  77 22 67 50
MAIL: office@kurtsteindl.com
WEB: http://www.kurtsteindl.com

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